Alles andere als moderat

Moderat am 2. September in der Jungen Garde

Als moderat kann man eigentlich weder die Geschichte noch die Musik von Moderat bezeichnen. Eher als deutsche Supergroup, die einst aus dem Zusammenschluss von Sascha Ring, seines Zeichens bekannt als Apparat, sowie aus Modeselektor, bestehend aus Sebastian Szary und Gernot Bronsert, hervorging. Einst meint übrigens das Jahr 2002, denn dort kann man die Gründung von Moderat verorten. Wobei das Trio es in dieser Phase offenbar wirklich moderat angehen ließ, denn bis zum gemeinsamen Debüt-Album (die erste EP »Auf Kosten der Gesundheit« erschien 2003) sollten stramme sieben Jahre vergehen. Jahre, in denen sich jedoch niemand der drei gelangweilt hat, denn sowohl Modeselektor als auch Apparat waren bereits damals gefragte Künstler, die weit über Berlins geradlinige Techno-Beats hinausgehend ihre Fühler ausgestreckt haben.

Im Falle des in Quedlinburg geborenen Sascha Ring besonders weit, denn jener Herr arbeitete schon 2003 und 2006 mit der Techno/Electro-Ikone und BPitch Control Records-Gründerin Ellen Allien auf zwei Alben zusammen und trat im Jahr 2004 beim legendären britischen Radio-DJ John Peel auf, um in der Folge das Aufgenommene 2005 auf der EP »Silizium« zu veröffentlichen. Die unzähligen Auftritte von Apparat, die ihn zu der Zeit bereits weit über Deutschland hinaus führten, sollen an dieser Stelle einfach nur mal als Randnotiz erwähnt bleiben.

Ähnlich kann man auch die musikalische Vita von Modeselektor betrachten, denn die beiden Berliner Gernot Bronsert und Sebastian Szary veröffentlichten zur Zeit der Gründung von Moderat bereits jährlich neue EPs, zelebrierten ihren Sound aus Techno, Hip-Hop und Electro auf unzähligen Partys und Festivals und sollten wenige Jahre darauf ihr eigenes Label Monkeytown Records gründen, das bis heute über 100 Veröffentlichungen von Künstlern wie unter anderem Dark Sky, Siriusmo oder FJAAK vorzuweisen hat.

Ganz schön viel auf der Haben-Seite quasi. Da verwundert es natürlich nicht, dass solch umtriebige Geister früher oder später aufeinandertreffen. So kam es dann auch und Moderat war geboren, um nicht nur dem Namen nach eine Melange aus dem Schaffen beider Größe entstehen zu lassen, sondern um elektronische Musik auf ein komplexes Level zu heben. Und zwar alles andere als moderat, sondern eher intensiv und mit großer Strahlkraft.

Bereits das gleichnamige Moderat-Debüt legte von den gemeinsamen Visionen deutlich Zeugnis ab und auch die Nachfolger »II« (2013) und »III« (2016) sollten dem in nichts nachstehen. Immer opulenter wurden die Visuals der Live-Shows, die der Eindringlichkeit und dem Hypnotischen des Moderat-Sounds auch optisch die nötige Breite und Tiefe gaben und den Kosmos immer größer werden ließen – so lange, bis Moderat im Jahr 2017 dann bekannt gaben, eine »längere kreative Pause einzulegen«. Für manche klang das wohl schon nach einer Auflösung, aber dem war nicht so. Sicher wäre die Pause ohne Corona kürzer ausgefallen. Aber nun liegt mit »More D4ta« das vierte Studio-Album vor, dessen Single-Auskopplungen »Fast Land, Easy Prey« und »More Love« bereits Lust auf alles Kommende machen sollten. Und da kommt einiges. Neue elektronische Wege, die Ergebnisse von Experimenten, modularen Kompositionen, Feldaufnahmen und anderer klanglicher Kuriositäten. Alles garniert und transportiert mit einer Ästhetik, die den Gesamteindruck erweitert und zugleich erzeugt. Man darf sich also erneut auf große Live-Konzerte von immersivem Charakter freuen. Und perspektivisch sicherlich auch auf weitere Alben von Moderat. Aber eben alles andere als moderat.
Thomas Natzschka

Moderat 2. September, Junge Garde, www.moderat.fm