Alles auf Vier

Sepultura kommen mit »Quadra« in die Tante Ju

1984 beginnt in Belo Horizonte die Geschichte der wohl bekanntesten und erfolgreichsten brasilianischen Band der Rock-Geschichte. Zu diesem Zeitpunkt gründen sich Sepultura (zu Deutsch: Grab), damals bestehend aus den Brüdern Max (Gesang/Gitarre) und Igor Cavalera (Drums), Jairo T. (Leadgitarre) und Paulo Jr. (Bass). 39 Jahre und 15 Alben später kommt die Band am 23. August nach Dresden in den Club Tante Ju und hat hinter sich eine Geschichte voller Wechselbäder, Stilsuchen und nicht zuletzt personeller Eskapaden – darunter der zehnjährige Streit der Gründungsbrüder Max und Igor Cavalera.

In der Anfangszeit ihrer Karriere orientierten sich Sepultura deutlich am rohen und aggressiven Thrash sowie Death Metal und wurden gern als schlechte Kopie von Slayer angesehen. Mit dem Einstieg von Andreas Kisser wurden die Thrash-Elemente deutlich verstärkt und qualitativ besser, bis mit »Arise« (1991) ein erster Klassiker veröffentlicht wurde. »Chaos A.D.« zeigte dann einen deutlichen Einschlag aus dem Hardcore und brachte Sepultura den Durchbruch. Nach dem Album »Roots« (1996) stieg Sänger Max Cavalera im Streit aus und gründete Soulfly.

Neuer Mann am Mic wurde Derrick Leon Green. Das erste gemeinsame Album »Nation« (2001) überraschte mit klarem Gesang neben dem üblichen, wütenden Geschrei. Auch die gastauftritte von Apocalyptica, Jello Biafra (Dead Kennedys) und Jamey Jasta (Hatebreed) stellten eine weitere Besonderheit dar. Der kommerzielle Zenit schien dennoch überschritten und Sepultura füllten außerhalb ihrer Heimat nur noch die kleinen Clubs.

Mit »Dante XXI« (2006) nahmen Sepultura erstmals ein Konzeptalbum auf, das sich mit Dante Alighieris »Göttlicher Komödie« befasste und wieder mehr an die musikalischen Wurzeln erinnerte. Nach dem Ausstieg von Igor Cavalera erschien 2009 »A-Lex«, ein weiteres Konzeptalbum, das sich mit Anthony Burgess‘ »Clockwork Orange« auseinandersetzt.
Während sie sich auf »A-lex« noch deutlich mit Hardcore beschäftigen, scheinen sie zwei Jahre später mit »Kairos« auf den Geschmack von Industrial gekommen zu sein. Derweil quittiert Drummer Jean Dolabella seinen Dienst und gibt an den gerade mal 20-jährigen Eloy Casagrande ab.

Der darf sich im Jahr 2013 erstmals im Studio beweisen. Dort schüttelt der Jüngling auch gleich die Hände eines Kessel-Urgesteins: Für einige Drum-Parts lassen Sepultura den Slayer-Schlagzeuger Dave Lombardo einfliegen. Das Ergebnis des kollektiven Zusammenkommens hört auf den Namen »The Mediator Between Head And Hands Must Be The Heart« und erscheint im Oktober 2013, gefolgt von »Machine Messiah« in 2017.

Nach ausgiebigem Touren mit Stopps in so ungewöhnlich anmutenden Destinationen wie Dubai, Kirgistan, Kasachstan und der Mongolei wird es bereits Zeit, Album Nummer 15 anzugehen. Wie schon bei »Machine Messiah« greifen Sepultura auf die Erfahrung von Produzent Jens Bogren zurück. In dessen Fascination Street Studios im schwedischen Örebro entstehen die Songs für »Quadra«, bei denen sich alles um die Zahl Vier dreht. Auch soundtechnisch zeigen sich die Brasilianer alles andere als eindimensional, fahren vom Ur-Trash bis zu progressiven Elementen alle Facetten ihres Sounds auf.

Touren können sie mit »Quadra« dann aber nicht: Die Coronavirus-Pandemie groundet auch die brasilianischen Thrasher. Doch Sepultura machen aus der Not eine Tugend und laden befreundete Musiker zu wöchentlichen Sessions ein, um den Fans wenigstens auf dem Youtube-Kanal bei Laune halten zu können. Heimstudio statt Halle. Gemeinsam mit Mitgliedern von Anthrax, Megadeth, Torture Squad, Danko Jones und vielen anderen spielen sie ein paar ihrer Songs live ein. Das so gemeinsam eingespielten Liedgut landet schließlich gebündelt und frisch abgemischt auf »Sepulquarta«, einem Livealbum der besonderen Art. Entstanden unter besonderen Umständen. Nun aber wird die »Quadra«-Tour doch noch nachgeholt. Auch in Dresden.
JH

Sepultura 23. August, Tante Ju, www.sepultura.com.br