In Wien bin ich aufgeblüht

Ein Gespräch mit Ansa Sauermann vor seinem Dresdner Record-Release-Konzert am 15. September

Er ist ein Dresdner Junge, der André Sauermann, geboren im Wendejahr 1989. Doch längst ist aus André der Songschreiber, Sänger und Musiker Ansa geworden, die heimischen Szene-Spots hat er gegen ein Leben in Wien eingetauscht, Familie verbindet ihn nun auch mit der sizilianischen Metropole Palermo. Dieser Weg, der Clash der Ereignisse, die zur großen Liebe führten, brechen sich auf dem neuen Album »Du kriegst was Du brauchst« Bahn. Wer sich die im Juni dieses Jahres erschienene Platte anhört, erlebt einen Menschen auf dem Höhepunkt seines bisherigen Schaffens, der seine Hörer:innen auf eine emotionale Reise mitnimmt, der man sich kaum entziehen kann. Am 15. September gibt es all die Energie auch live, denn dann spielt Ansa Sauermann mit seiner Band das Dresdner Record-Release-Konzert im Club Tante Ju.

SAX: »Du kriegst was Du brauchst«, heißt das neue Ansa-Sauermann-Album. Das klingt nach Optimismus, kann aber auch eine Drohung sein. Wie kam es zu dem Titel?
Ansa Sauermann: Ich glaube, es ist irgendwas zwischen Hoffnung und Versprechen. Ich habe mit Adrian Röbisch an einem Song geschrieben, er schickte mir ein Riff per Whatsapp, ich habe dann Gesang, Text und einen Refrain dazu geschrieben. Als ich dann schon im Studio und der Song im Grunde fertig war, kam Adrian mit einem neuen Part daher, angelehnt und inspiriert von den Stones. »Du kriegst was du brauchst« war die Essenz und ist die perfekte Zusammenfassung aller Songs vom Album. Es führte kein Weg mehr daran vorbei, die Zeile als Albumtitel zu nehmen.

SAX: Mehr noch als auf den Vorgängeralben »Weiße Liebe« und »Trümmerlotte« wandelst du in den zehn neuen Songs auf der Borderline von Melancholie und purer Lebensfreude, ein Kunststück, das nur wenigen so gelingt. Ist dir diese gleichzeitige Beidseitigkeit in die Wiege gelegt worden, ist es Lebenserfahrung oder hast du sie dir erarbeitet?
Ansa Sauermann: Oh, das ist ein schönes Kompliment. Ich glaube diese Zweischneidigkeit steckt schon immer ein bisschen in mir. Es ist Fluch und Segen. Man kann Rückschläge mit Humor und gesundem Nihilismus betrachten, sucht aber immer auch nach den Rissen, die es doch überall, auch in den schönsten Dingen geben muss.

SAX: Das zentrale Thema auf »Du kriegst was Du brauchst« ist unschwer zu entschlüsseln: Liebe. Und das auf verschiedenen Ebenen. Das Mysterium »Liebe« findet vom euphorischen Verknalltsein bis zur Angst statt, ohne in übliche Floskeln zu fallen. Warum ist dir die Beschäftigung mit dem zwischenmenschlichen Himmelhoch-jauchzend-zu-Tode-btrübt so wichtig?
Ansa Sauermann: In den vergangenen zwei, drei Jahren, in denen ich die Songs geschrieben habe, hatte man echt sehr viel Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Wenn man da genau hinsieht, findet man eben irgendwie von allem etwas. Da ich Isolation und das Virus betreffende Themen bewusst ausklammern wollte, kam die Liebe ins Spiel. Es ist im Grunde einfach so passiert, ohne dass ich da was hätte machen können. Die Lieder haben sich dieses Mal tatsächlich ein bisschen von selbst geschrieben. Ich habe dann einfach nicht auf Biegen und Brechen versucht, noch mehr Politik oder Gesellschaftskritik reinzupressen. Dafür ist die Zeit für mich jetzt reifer.

SAX: Es klingt merkwürdig, wenn man sagt, die neuen Songs klingen erwachsener, entstammen einer gereifteren Musikerseele. Kannst du das trotzdem für dich bejahen?
Ansa Sauermann: Ich denke ja. Ich mag das neue Album und vor allem die Texte viel mehr als das erste. Ich glaube, ich gebe mich mittlerweile einfach etwas weniger schnell zufrieden. Ich frage noch mal nach und suche nach dem Gefühl hinter dem Offensichtlichen. Ob das dann reifer oder erwachsener ist? Ich weiß nicht, ich würde es einfach unumgängliche Entwicklung nennen. Ich versuche, möglichst gut auf den Punkt zu bringen, was ich denke. Wenn dabei noch etwas Spielraum für wilde Interpretationen bleibt, bin ich komplett glücklich.

SAX: Obwohl die Krisen der Corona-Jahre lyrisch nicht erwähnt werden, hat man das Gefühl, dass die Erfahrungen dieser Zeit in den Texten mitschwingen. Welche Auswirkungen hatte das rückwirkend gesehen für dich?
Ansa Sauermann: In meinem Leben ist enorm viel passiert. Alles hat sich gedreht. Vom Kopf auf die Beine. Musikalisch wirkt die Band reduziert, aber in der Wirkung regelrecht explosiv.

SAX: Wie konnte dieser Widerspruch gelingen?
Ansa Sauermann: Durch die reduzierten Trio-Konzerte in 2021 und 2022 habe ich das Reduzierte schätzen gelernt. Die Stimme, die vorhandenen Instrumente, alles hatte auf einmal mehr Platz zum Leben. Dadurch gibt es auch nach oben und unten mehr Spielräume. Ich wollte dieses Luftige weiterführen und auskosten. Nur, wenn es auch mal leise ist, kann man nach oben hin komplett ausrasten.

SAX: Dein zweites Album »Trümmerlotte« erschien im Corona-Jahr 2020, damit auf Tour zu gehen, war unmöglich. Siehst Du das Album aus diesem Grund als verloren an oder hast Du gerade deshalb eine besondere Beziehung dazu?
Ansa Sauermann: Jedes Album, jeder Song, alles ist am Ende eine Momentaufnahme. Hätte ich mir mehr Aufmerksamkeit gewünscht – wahrscheinlich ja. Aber schließlich meine jeden Song genauso wie er ist. »Trümmerlotte« strotzt vor Uptempo-Nummern. Diese Energie haben wir dann doch noch auf die Bühne gebracht. Und das ist eben auch der Ort, wo die Magie passiert. Im Kopf, im Studio können Dinge Sinn ergeben, was noch lange nicht heißt, dass es auch live vor Publikum funktioniert. Bei »Trümmerlotte« hat es dann mit Verzug unglaublich gut funktioniert. Wir haben dann doch noch ausgiebig gemeinsam gefeiert.

SAX: Seit 2019 lebst du in Wien, was war ausschlaggebend für den Wechsel von der Elbe an die Donau?
Ansa Sauermann: Ich musste einfach mal raus. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich mir immer wieder an denselben Orten dieselben Vorsätze geschworen habe … ich fühlte mich ein bisschen träge. Ich wollte noch einmal irgendwo fremd und neu sein. In Berlin war ich ein Häufchen Elend, in Wien bin ich aufgeblüht.

SAX: Wo siehst du kulturell, sozial und lebensqualitativ die größten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Städten?
Ansa Sauermann: Wien und Dresden sind beides ganz klar urgemütliche Städte mit gemütlichen Leuten. Wien ist großstädtischer, ohne dabei unentspannt zu werden. In Berlin kam ich mir deplatziert vor. Wien ist eine magische Mischung aus Dresden und Berlin. Es gibt unzählige kostenlose Events, Open-Air-Kinos, Bezirksfeste, die jedes Jahr von verschiedenen, neuen, jungen Musiker*innen kuratiert werden – irgendwie immer am Zahn der Zeit. Die Stadt Wien ist auch der größte Wohnungseigentümer Europas. Überall gibt es Gemeindebauten, städtische Wohnungen für weniger gut Verdienende, über die ganze Stadt und jeden Bezirk verteilt. Alles ist noch ziemlich gesund durchgemischt. Nahezu jeder Bezirk hat seine wilde und snobby Seite. Alle arrangieren sich und der Wiener Schmäh, Selbstironie und die stolze Arroganz find ich super. Das Einzige, was ich echt ein bisschen vermisse, sind die lauten, belebten Straßen. Ab 23 Uhr findet alles drinnen statt. Das nimmt man hier sehr genau. Man kann zum Beispiel im Park, am Karlsplatz oder Donaukanal ewig draußen sein. Aber die Straßen der Stadt sind dann leer gefegt und ruhig.

SAX: Es ist kein Geheimnis: Die Angesungene vieler deiner neuen Lieder ist deine Frau Madlaina Pollina. Gerade in Dresden hat sie mit Steiner & Madlaina eine große Fanbasis und entstammt zudem auch einer regelrechten Musik-Dynastie. Wie geht sie damit um, auf einmal Thema eines Albums zu sein?
Ansa Sauermann: Haha, super Frage! Es war mega weird, für uns beide im Grunde. Bislang hatten wir immer nur über andere geschrieben. Über Menschen, Situationen, Geschichten, die wir erlebt haben – aus unserer Perspektive. Auf einmal finden wir uns selbst in fremden Songs wieder. Zum Glück haben wir gerade nur Gutes über uns zu erzählen. Ich glaube, sie ist nicht immer mit jeder Formulierung einverstanden, aber sie kennt mich gut genug und kann abstrahieren, dass manchmal Sachen so oder so formuliert werden wollen.

SAX: Es war zu lesen, dass du noch nie in Italien warst, bis du Madlaina Pollina, Tochter des großartigen Liedermachers Giuseppe »Pippo« Pollina, kennengelernt hast. Wie findet sich ein Sänger aus Dresden auf einmal in Palermo wieder? Das gleichnamige Stück des neuen Albums lässt einiges erahnen.
Ansa Sauermann: In einer so wunderschönen, historischen Stadt steht jeder erst mal mit offenem Mund da. Dann wurde mir gezeigt, worum es in Wahrheit geht: gutes Essen, Trinken, Freunde und die Zeit miteinander zu genießen. Der Unterschied ist, dass niemand ein schlechtes Gewissen hat. Niemand glaubt, Zeit zu verschwenden, wenn man eine gute Zeit mit seinen Liebsten verbringt. Im Song erzähle ich von Sehnsüchten. Ich drehe alles um und am Ende drehe ich es noch mal um.

SAX: Kommen wir zu etwas Urschleim. Wie kam André Sauermann zur Musik und wie wurde eigentlich aus André Ansa?
Ansa Sauermann: Mein Großvater hat Geige gespielt und wollte Dirigent werden. Die Zeit und seine Eltern haben es ihm damals aber nicht erlaubt. Ich war dann der Nächste, der mega Freude am Ausprobieren von Instrumenten und Schreiben von Songs hatte. Und ich konnte das dann einfach ausleben. Ich hoffe auch ein bisschen mit und für ihn.

SAX: Wie wurde eigentlich aus André Ansa?
Ansa Sauermann: Im Zille, der Bar auf der Görlitzer, in der ich damals gearbeitet habe, gab es an irgendeinem Punkt zu viele Andrés. Den Flugzeug-André, den FDP-André, es gab einen Rasta-André und noch den Katys-André, der jetzt bei Flux FM in Berlin arbeitet. Ansa war eine willkommene Alternative.

SAX: Hattest du von Anfang an die Unterstützung deiner Eltern?
Ansa Sauermann: Da gehen die Meinungen auseinander.

SAX: Wie war dein erster Auftritt auf einer Bühne?
Ansa Sauermann: Ich erinnere mich gerade an den Keller der Lila Soße in der Kunsthof Passage. Konrad Hartsch und ich … wir waren zu zweit auf der Bühne. Im Raum waren zwei weitere Personen. Ein klassisches Remis. Die beiden sehe ich aber noch heute bei Konzerten. 1.000 Küsse an euch!

SAX: Wie ist eigentlich deine Band zusammengekommen?
Ansa Sauermann: Wir sind ein Haufen musikfanatischer Freunde, die vor irgendetwas fliehen.

SAX: Mir blieben mit euch vor allem zwei TV-Erlebnisse in Erinnerung: Das Frühstücksfernsehen und der Auftritt bei »Inas Nacht«. Wie war das für Euch?
Ansa Sauermann: Aufregend und stressig. Ina hat ganz genaue Vorstellungen, welchen Song sie hören will. Dass sie das ganze Album durchgehört hat, um sich zu entscheiden, fand ich aber sehr beeindruckend. Beim Frühstücksfernsehen wurden wir um 3 Uhr nachts geweckt und informiert, dass das Studio brennt. Alles ist ausgefallen, wir sind zurück nach Hause gefahren. Ein oder zwei Monate später kamen wir wieder. Die Minibar vom Hotel war dann leer geräumt, das hatten wir wohl zu sehr ausgereizt. Die Aufenthaltsräume im neuen Studio waren provisorisch. Ich habe meine Jacke aufgehängt und der Ständer fiel mir auf den Kopf, ich hatte einen blutende Platzwunde. Aber alle waren mega sweet und lieb, ich wurde gut verarztet. Ich hatte wieder eine Flasche Sekt mit, die wir verdammt früh morgens in der ARD gekillt haben. Ich war benommen und glücklich.
Interview: Uwe Stuhrberg

Ansa Sauermann & Band Record-Release-Konzert
14. September, 20 Uhr, Neues Schauspiel, Leipzig
15. September, 20 Uhr, Club Tante Ju, Dresden
16. September, 20 Uhr, Musemskeller, Erfurt
Karten bei SaxTicket und saxticket.de
www.ansasauermann.de