Aus wenig viel

Mit dem knappsten aller Siege schickt Dynamo Dresden Münster nach Hause

Foto: SG Dynamo Dresden

Kommt an diesem Nachmittag der zehnte Heim-Dreier in Folge? Ich bekomme angesichts solcherart Serien immer ein flaues Gefühl im Magen, weil man nie weiß, wo und wann die Sollbruchstelle lauert. Und man weiß ja: Jede Serie endet. Also ist es mir immer lieber, ich weiß davon nichts. Serien gehören in meiner Welt in die Glotze.

Aber schön ist es mal wieder, in der heimischen Schüssel zu sein nach gefühlt zehn Auswärtsspielen in Folge. Dazu noch fully packed, die Gesänge hallen schon vorab über Blüherpark und Großer Garten. Das Wetter hat was von Frühling und ich bin viel zu warm angezogen – ein alter Mann hat eben Angst vorm Frieren. Außerdem gut: Dennis Borkowski steht auf dem Startelfbogen. Schade: Tobias Kraulich nicht. Dabei war es angesichts der Bilder, wie beide Spieler vor einer Woche den Rasen verließen, andersherum zu vermuten. Dazu Stefan Kutschke auf der Bank, der als angeschlagen vermeldet wurde. Die standesgemäße Vertretung heißt natürlich Manuel Schäffler. Neu hinten links feiert Kyu-Hyun Park sein Comeback, nachdem Jonathan Meier eher so semi gespielt hat und Lars Bünning jetzt innen gebraucht wird. Heißt auch: Schwierige Zeiten für Kevin Ehlers.

Die erste Halbzeit: Der Treffer ist Schäffsache

Vor dem Anpfiff eine Ansage zum Spieltagsmotto „Love Dynamo, hate Racism“, begleiet von einigen Pfiffen. Wenigstens der kurz gehaltene Moment des Innehaltens angesichts der derzeitigen Kriege und deren Opfer bleibt weitestgehend ruhig. Das Spiel beginnt Dynamo auf der sunny side vor dem K, während die andere Hälfte im kühlen Schatten liegt.

Schon die erste Aktion zeigt das derzeitige Offensiv-Manko der Schwarzgelben: Einen tollen Seitenwechsel von Markus Hauptmann verwurstet Borkowski mit einem Fehlpass und leitet so den Preußen-Konter ein. Der wird zwar hintenrum zunichte gemacht, aber die Situation zeigt, wo es hakt und wo nicht. Das zeigt sich wenig später wieder, als sich Luca Herrmann mit einer herrlichen Drehung freispielt, aber den Steckpass in für Park unerreichbare Sphären schickt. Doch Dresden ist dran, auch mit der neu entdeckten Standard-Stärke mit Borkowski am Schießstand. Nach einer Ringereinlage gegen Park schickt die Dresdner 29 den Ball in die Gefahrenzone am Fünfer, der Torwart klärt in größter Not und Schäffler spitzelt das Leder an den Pfosten.

Postwendend erfüllt sich fast die Weisheit mit dem „Wenn du sie vorn nicht machst …“ Claudio Kammerknecht spielt einen halbhohen Ball genau dorthin, wo kein Gelb zu sehen ist, und nach nur drei fixen Zügen läuft der Sieben-Tore-Mann Batmatz allein auf Stefan Drjlaca zu. Okay, „allein“ ist relativ. Denn mit einem Wahnsinns-Sprint hechelt Lewald hinterher, passt die Hundertstel-Sekunde ab, in der sich Batmatz den Ball vorlegt und grätscht die Top-Chance in die Tonne – es gibt nicht mal eine Ecke.

Nur zwei Minuten später will Kammerknecht mal zeigen, dass er das mit den Flanken eigentlich besser kann – und er zeigt es. In hohem Bogen segelt der Ball an den Langen, wo der Abwehrversuch bei Tom Zimmerschied landet, der volley einschießen will. Es bleibt jedoch dabei: Außer gegen Halle trifft er nicht, sein Hoppelball springt aber von der Brust eines Preußen vor den Fuß von Schäffler, der nur noch den Fuß hinhalten muss. Ist die Box gut besetzt, dann fällt auch mal so ein Tor. Einsnull. Und das ist gut so. Noch während sich alle einpissen vor Freude, talkt Markus Anfang an der Seite mit Lewald – vielleicht wird da noch mal die Causa Konterunterbinden beredet. Denn was schnell zu sehen ist: Im kontrollierten Spielaufbau haben die Münsteraner große Probleme gegen die heimischen Verteidiger, bei denen Park sich als linke Lösung durchaus anbietet.

Was allerdings von Beginn an unanbietbar erscheint, ist die Leistung des Schiedsrichters. Die Zweikampfbewertung des Herrn Burda spottet jeder Beschreibung. Zieht er hier zwei zeitige Gelbe, wäre wohl halbwegs Ruhe durch Karton. So aber lädt der Referee vor allem die Gäste zur lustigen Holzhackerfreud ein. Es dauert 20 Minuten, bis Burda mal Yellow sehen lässt, weil Hauptmann so deutlich am Mittkreis niedergerissen wird, dass es nicht zu übersehen ist.

Die Dynamischen zeigen derweil zwar, dass sie ein schnelles zweites Tor wollen, aber die alte Leier vom letzten Ball und den finalen Ungenauigkeiten schreibt auch heute die Strophen 110 bis 181. An sich klare Pässe kommen nicht an, dann wieder ist es zu viel Lässigkeit oder aus der Distanz fliegt alles vorbei. Knapp 30.000 haben den Torschrei bereits in der Kehle, als Hauptmann den Ball hauchzart in den Lauf von Zimmerschied legt, der aber im Duell mit Ersatzkeeper Schenk den Kürzeren zieht. Wie oft denn noch? Erinnerungen an Conteh werden immer öfter wach. Gezitter schon jetzt nach einer knappen halben Stunde.

Es sind 33 Minuten rum, da rumst es direkt vor der Dynamo-Bank. Der Ball ist schon im Aus, da holt Bazzoli zum Check aus und lässt Hauptmann über Rasen und Beton in die Werbebande fliegen. Ob man dem Spieler da nun Absicht unterstellt oder nicht: Man kann man sich die Szene wieder und wieder ansehen und kommt zum Ergebnis: Der wollte nichts anderes, den Ball hätte er nimmer erreicht. Also ist das eine Tätlichkeit und damit rotwürdig. Aber es gibt nur Gelb, dazu auch eine für Lars Bünning, dessen Aufregung (wie auch die aller anderen) nur zu verständlich war. Denn nur mit viel Glück und etwas Spucke ist nichts Schlimmes passiert, nach einer Wundversorgung kann Hauptmann weitermachen. Gleich im Anschluss werden erst Park, dann Schäffler gelegt. Nun ja …

Bis zur Pause gibt es noch bisschen Halbgares aus der Offensivabteilung und Zimmerschied scheitert mit dem Pausenpfiff ein weiteres Mal direkt vor Schenk. Apropos Torwart: Was macht eigentlich Stefan Drljaca so? Schon zu Hause? Es wäre ohne ihn nix passiert.

Die zweite Halbzeit: Mit dem zweiten wird es nichts

Wenn man Tom Zimmerschied etwas nicht nachsagen kann, dann, dass er aufgibt. Er will sein Tor machen, aber es klappt einfach nicht. Gleich zweimal schlenzt er sehenswert von der Strafraumkante aufs lange Eck, zweimal ist Schenk zur Stelle. In den ersten 15 Minuten scheitern aber auch Hauptmann aus der Entfernung, Borkowski aus der Nähe und Park per Kopf. Der zweite Treffer will nicht gelingen. Vielleicht wird es mit Jakob Lemmer und Jonathan Meier besser, die nach einer Stunde Borkowski und Park ablösen. Wird es nicht.

Gleich viermal wird Lemmer in der verbleibenden halben Stunde mit dem Ball in den oder die Gegner rennen ohne in besten Kontergelegenheiten seine wing man zu bedienen. Unfassbar! Dynamo macht es immer wieder zu kompliziert oder zu ungenau. Und es nervt, das immer wieder wiederholen zu müssen. Aber möglichweise haben Stefan Kutschke und Tom Berger eine Idee, die nach 72 Minuten der Schichtwechsel für Schäffler und Hauptmann sind. Nein, haben sie nicht. Dabei kommt von Preußen Münster so gut wie nichts mehr. Man hätte Drljaca auch für einen elften Feldspieler auswechseln können.

Man muss das geschriebene Wort nicht sinnlos auswalzen, wenn es kaum etwas zu sagen gibt, außer: Am Ende clever runtergespielt, Dresdens Keeper kassiert Gelb für Sekundenschinderei, Defensive gewinnt Meisterschaften, you know. Der Klassenerhalt ist bald geschafft. Punkt.

Und sonst so?

Schön, dass Stefan Kutschke doch noch eingewechselt wurde, so konnte er die Ehrung durch die Fans zum 100. Spiel für Dynamo entgegennehmen wie auch Paul Will und Kevin Broll. Danach folgte die Ansage an die anderen Spieler: Ihr könnt das auch schaffen! Na dann …
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs, SG Preußen Münster
21. Oktober 2023, Anstoß 14 Uhr
Tor: 1:0 Schäffler (12.)
Dynamo Dresden: Drljaca, Kammerknecht, Lewald, Bünning, Park (59. Meier), Will, Herrmann, Hauptmann (73. Berger), Borkowski (59. Lemmer), Schäffler (73. Kutschke), Zimmerschied (90. Oehmichen)
Ohne Einsatz: Broll, Ehlers, Vlachodimos, Meißner
Schiedsrichter: Max Burda
Fans: 28.729
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