Fünf Freunde

Achtung! Turnierpferde am 9. Dezember im Alten Wettbüro

Treffen sich ein hochrangiger Justizbeamter, ein promovierter Wissenschaftler, ein Diplomingenieur, ein Werbefachmann, ein Mediziner und gründen eine Rockband. Grübelt der Freundeskreis, mancher Kollege und überhaupt so gut wie jeder, ob sich kein passenderes Hobby finden ließ für Männer Mitte vierzig, obendrein mit diesen Berufsbildern? Wäre Golfen nicht angemessener?! »Da stört mich schon die Frage! Nein, wir sind fünf Freunde und treffen uns einmal die Woche im Proberaum«, entgegnet Sänger, Gitarrist und Keyboarder Birger Magnussen, tagsüber Strafrichter am Landgericht Dresden. Er habe, erzählt er, schon »immer Musik gemacht, entweder allein oder mit Schulfreunden«. Und ist bei einer Freizeitbeschäftigung geblieben, die eigentlich eher für junge Menschen typisch ist und später, wenn sich die Hoffnung auf eine Karriere im Musikgeschäft nicht erfüllt, sogar nur allzu oft völlig von profanen Dingen des Alltags wie Job, Familie und Kindern verdrängt wird.

Entsprechend begegnete Birger Magnussen seinen Bandmitstreitern nicht auf dem Schulhof, nicht im Lehrbetrieb, auch nicht auf dem Unicampus. »Unseren Schlagzeuger Christian Prunitsch traf ich schon recht bald, nachdem ich 1996/97 nach Dresden gekommen bin. Unsere Frauen hatten beruflich miteinander zu tun. Es hat dann noch mehrere Jahre gedauert, ihn zu motivieren, sein Schlagzeug vom Dachboden seines Elternhauses in Bayern zu holen.«

Christian Prunitsch ist Professor für Slawistik an der TU Dresden und kann wiederum den selbständigen Landschaftsarchitekten Jens Rossa als Leadgitarristen anwerben. Die Töchter der beiden besuchen denselben Kindergarten, von daher kennen sie sich. Später sollte Jens Rossas Tochter derselben Schulklasse angehören wie die Tochter von Tobias Blaurock. Der Inhaber einer Werbeagentur mit aktuellem Firmensitz im Hechtviertel, übernimmt den Part des Bassisten. Die Kinder, vermutet er, hätten sich in der Schule vermutlich »gegenseitig ein bisschen die Taschen vollgehauen nach dem Motto: Mein Papa macht Musik! Wirklich? Meiner auch! Jedenfalls ließ Jens über seine und meine Tochter bei mir anfragen, ob ich auch Bass spiele. Größenwahnsinnig wie ich war, ließ ich ausrichten: Klar, auf jeden Fall. Als Jugendlicher hatte ich in einer Band Gitarre gespielt und dachte, das kann so schwer nicht sein, der Bass hat nur vier Saiten.« Fünfter im Bunde als Gitarrist und Sänger ist Psychologe Olaf Janetzki, einer von Birger Magnussens alten Schulfreunde.

In dieser Besetzung bestehen Achtung! Turnierpferde seit ungefähr 2012. Erstaunlich sind ihre Vorbilder und Einflüsse, die sie für ihr durchaus klassisches Rockformat angeben. Kein Neil Young, kein Bob Dylan weit und breit. Von den üblichen Verdächtigen werden lediglich die Rolling Stones genannt. Ansonsten die schwedischen Poprocker Mando Diao und noch bemerkenswerter, Steve Wynn, Kopf der kalifornischen Dream Syndicate, einer Band aus dem Paisley Underground der achtziger Jahre. Diese Facette der Rockgeschichte ist höchstens Kennern ein Begriff. Die beiden Dream-Syndicate-Songs »Boston« und »Burn« finden sich noch heute als Coverversionen bei ihnen im Konzertprogramm. Was sie an Steve Wynn begeistert? »Der Sound, die Melodien und wie die Songs aufgebaut sind«, verrät Birger Magnussen. Und die Songtexte? »Sind auch sehr gut«, ergänzt er. »Wobei ich nicht so sehr auf Texte achte. Wir sind keine besonders textbezogene Band, wir versuchen eine Atmosphäre zu transportieren – würde ich jedenfalls denken. Bandintern haben wir das ehrlich gesagt noch nie diskutiert.«

Was das angeht, wäre sicher kaum mit kontroversen Debatten zu rechnen. Über die meistens auf Englisch verfassten Texte zu Songs mit Überschriften wie »Heartland«, »Steady Moon« oder »Wrong Season« sagt Christian Prunitsch, dass das »überwiegend situationsbedingte Momentaufnahmen« sind. Hin und wieder mit einem »Einschlag ins Politische«. Worum es dann zum Beispiel geht? »Worüber schreibt man wohl in Dresden?!« Über Pegida natürlich, wie sollte es anders sein. »Trash Mob« heißt einer der fraglichen Songs.
In der fünfjährigen Bandgeschichte sind vier Alben entstanden. Alle in Eigenregie und teils auf Soundcloud nachzuhören. Die jüngste Veröffentlichung heißt »Hit By A Horse's Tail« und enthält Gastbeiträge des Dresdner Jazztrompeters Germi Riess.

Bliebe noch zu klären, was es mit dem kuriosen Bandnamen auf sich hat? »Den haben wir«, enthüllt Christian Prunitsch, »irgendwann nachts am Lagerfeuer ersonnen. Wir hatten lange gesucht, und irgendwann fiel es wie eine Sternschnuppe vom Himmel. Ganz wichtig ist das Ausrufezeichen nach Achtung, nicht nach Turnierpferde.« Warum? »Das fühlte sich unglaublich toll an in dieser Nacht, und seitdem hat sich keiner die Mühe gemacht, das zu verändern. Deshalb bleibt das so.« Gern würden sie öfter live spielen, das würde mehr Routine bringen. Aber schon eine Bandprobe pro Woche ist in Anbetracht der beruflichen Belastungen mitunter schwer zu machen. Es ist und bleibt eine Hobbyband, die, wie sich Birger Magnussen ausdrückt, kein homogenes Bild abgibt. »Wir haben vier verschiedene Textschreiber, verschiedene Komponisten, mehrere Sänger. Deshalb klingen wir für Außenstehende vielleicht nicht wie aus einem Guss. Das kann man gut finden oder nicht, ich sage, das ist einfach so.«
Bernd Gürtler

Achtung! Turnierpferde
9. Dezember, Altes Wettbüro
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