Halle_luja!

Auch gegen den HFC siegt Dynamo nur knapp, aber siegt

Ja ist den heut' schon Weihnachten?

Wenn man etwas ausladende Geschichten über Fußballspiele schreibt, aber eben keine „normalen“ Sportreportagen, die in etwa den Verlauf wiedergeben und was wer danach gesagt hat, dann sind englische Wochen der Killer. Wenn man dann noch mehrere Professionen betreibt, wird es noch arger. Da ich bei der SAX neben meinem journalistischen Hauptbroterwerb auch noch als Konzertveranstalter unterwegs bin, ist die Wochenendplanung mit den Spielen der Dresdner Goldfüße nicht immer einfach zu konfigurieren. Und so kam es, dass ich das Essen-Spiel in einer Jenaer Hotel-Lobby auf dem Rechner gucken musste, weil die Rezeptionisten nicht in der Lage waren, mich (und den isländischen Singer/Songwriter Svavar Knutur) vor 15 Uhr ins Zimmer zu lassen. Meine Laune war also ob der Umstände und der Partie gänzlich am Boden. Das abendliche Sonntags-Konzert im Glashaus im Paradies (einer der wunderbarsten Konzertorte überhaupt) war dann aber doch Entschädigung. Aber an Schreiben war angesichts des bereits 5.30 Uhr klingenden Weckers plus anschließender Fahrt nach DD nicht zu denken. Na ja, und der Mittwoch bringt ja schon das nächste Spiel. Hoffentlich wird es dann besser – das Spiel, die Laune, mein Gesamtzustand.

Wer die Pressekonferenzen nach den Spielen verfolgt, wird sich eventuell noch erinnern, dass ich nach der Schacht-Partie die Frage an Markus Anfang gestellt habe, ob Nikals Hauptmann nicht mal eine Pause benötigt ob seiner fragilen körperlichen Struktur. Am Tag des Heimspiels gegen die Halloren hat der Körper offenbar diese Pause eingefordert – und so fehlte der Mittelfeld-Motor erstmals in dieser Saison in der Startelf. Jakob Lemmer musste Panagiotis Vlachodimos weichen, obwohl es ob der letzten beiden Spiele wohl sinnvoller gewesen wäre, Tom Zimmerschied mal auf die Bank zu setzen. Aber ausgerechnet gegen den Ex-Verein war das wohl keine Option. Aber dass Vlachodimos beim Verlesen der Aufstellung ein kleines „Fußballgott“ bekam, war dann doch überraschend. Also dann: Flutlicht, Heimspiel, laute Chöre. Was will man mehr? Einen Sieg natürlich, wenn auch einer mit sieben Toren ob der anhaltenden Trefferflaute eher unwahrscheinlich war.

Die erste Halbzeit: Eine Hallende Ohrfeige oder Unverhofft kommt oft

Per Banner wurde erstmal Freiheit für „alle Dynamo-Krieger“ gefordert, wer auch immer „alle“ sind und wo auch immer „Krieg“ geführt wurde. Dazu gab es ein hundertfach blinkendes Fackelfeuer, dem nur ein einziges rotes Lichtlein im Gästeblock entgegenstand. Doch wirklich wichtig ist auf dem Platz. Und dort zeigte sich jede Manschaft mal eben fix bei der anderen, eher so Klopf-auf-Holz-mäßig. Jeder will hier was, aber nichts wird so richtig. Bis in Minute 7 eine langer Ball aus dem Mittfeld zu Dominic Baumann fliegt. Möglicherweise hat jemand Tobias Kraulich gesteckt, dass der Baumann in der Saison 2014/15 in 19 Spielen für die SGD kein Tor geschossen hat; auf jeden Fall ver- und/oder unterschätzt der sonst so sattelfeste Innenverteidiger, was da auf ihn zukommt. In einem Mix aus Falschstehen und entkörperlichtem Zupacken patzt Kraulich und der Hallenser entwischt, läuft seitlich frei auf Stefan Drljaca zu und schlenzt mit Auge rechts unten ein. Oh, nicht schon wieder! Rückstand war in dieser Saison stets (also zweimal) Niederlage – selbst, wenn noch ausreichend Zeit war, es auszubügeln. Direkt mit dem Gegentreffer leuchtet der K erneut. Nehmen wir es mal als wortwörtliche Anfeuerung. Sieht schon gut aus, aber ist denn schon Weihnachten? Doch vor allem schmerzt die Hallende Ohrfeige.

Was sich jetzt entwickelt stammt aus der reich gefüllten Schublade mit der Aufschrift „Das Spiel lebt von der Intensität“. Etwas, das ziemlich öde ist, wäre es nicht allein durch den Spielstand spannend. Und das geht an die Augen und den Kreislauf. Denn nach vorn geht bei Schwarzgelb wenig bis nichts. Aufbau ganz ordenltich, aber in der gegnerischen Hälfte jede Menge Halbgares bis Unanguckbares. Eine Fehpassquote wie lange nicht, das Spiel vorhersehbar, uninspiriert, ohne jeden Überraschungseffekt. Da kann der Trainer noch so abwiegeln: Ohne Hauptmann ist das Mittelfeld nur die Hälfte wert, weil der Mann auch seine Nebenleute besser macht. Derweil hängt Vlachodimos oft in der Luft, weil Meier fast keinen Pass zu ihm durchbekommt: zu ungenau, zu langsam, zu schlampig. Kutschke ist wie schon in Essen doppelt gemoppelt und weitestgehend abgemeldet, Zimmerschied und Herrmann wollen immer wieder mit dem Kopf durch die Wand und vergessen dabei das Fußballspielen. Aber da dieses Rumnörgeln und Unzufriedensein nicht gut für die mentale Gesundheit ist, spule ich mal vor.

Es sind noch vier Minuten bis zur Pause. Hinten hat sich soweit alles etwas eingegroovt, auch dank der verlässliche Konstante Paul Will, der in dem Schlamassel den Laden irgendwie zusammenhält. Defensiv klaffen eigentlich nur auf der linken Meier-Seite immer wieder Lücken; die eigentlich vorhersehbaren Halleschen Kometen-Seitenwechsel zeigen an: Die wissen, wo die Löcher im Dynamo-Käse sind. Und da passiert es wieder: Bolyki hat einen dieser langen Bälle feinst in der Mitnahme, zeigt Meier kurz den Passierschein und zieht frei vor Drljaca ab. Drin. Nein. Nochmal, Nachschuss. Drin. Nein. Ich habe keine Ahnung wie der Dresden-Keeper das gemacht hat. Den ersten halten, super. Aber in einer halben Sekunde wieder oben zu sein und den zweiten Schuss abzuwehren? Was hat der Mann im Tee? Singen wir doch auch mal einen Dankchoral für den Goalie-Coach David Yelldell. Ach ja: Die Situation entstand duch einen SGD-Konter, den Dennis Borkowski vorn verbockt hat. Auch er mit keinem guten Spiel.

Okay, dann wenigstens mit knappem Rückstand in die Pause und dann neujustiert alles auf (Markus) Anfang stellen. Aber Fußball macht nicht,. was man denkt. Er führt ein geheimes Eigenleben, das in den unteren Ligen oft auch unstrukturelle Wege geht, denen keine Taktikschulung innewohnt. Nachspielzeit, Freistoß Dynamo leicht rechts vor dem Strafraum. Will versucht sich mal, alle anderen hatten bei Ecken und Freistößen bislang nichts bis gar nichts gezeigt. Aber auch Will brettert nur in die Mauer, allgemeines Ächzen im Stadion. Mit dem kurz angebundenen Rebound wittert der Rotschopf eine zweit Chance, spielt auf den Schädel von Stefan Kutschke am langen Pfosten, der sich endlich mal durchsetzen kann. Aber Müller hat in der Flugschule aufgepasst, bekommt den Handschuh noch dran, jedoch nur, um den Einschlag zu verhindern. Der Ball landet genau vor den Füßen von Borkowski, der aus Nahdistanz nur noch einschieben muss. Ein Ausgleich unter dem Motto „Unverhofft kommt oft“. „Mir doch egal“, singt Angelika Mann. Pause.

Die zweite Halbzeit: Der Zimmerunterschied

Der Treffer zum „psychologisch günstigen Zeitpunkt“ hat Wirkung. Die Sportgemeinschaft zeigt sich nun gestrafft, zielgerichteter, mutiger. Als nach wenigen Minuten Lewald an der Außenlinie einem von allen anderen im Aus geglaubten Ball konsequent nachgeht, hat der IV auf seiner Außenmission plötzlich jede Menge Gras vor sich, hat Zeit zum Gucken und sieht ein gelbes Hemd zentral einlaufen. Unbedrängt abgeschickt, fliegt die Flanke passgenau auf den Stürmerkopf, der sich im Flug dreht und links ins Lange trifft: 2:1! Alles steht Kopf, bläkt, schreit, umarmt sich, Aufstieg sofort. Aber wer war es denn, sah nach Kutschke aus. Aber nein: Zimmerschied. Ausgerechnet! AUSGERECHNET!!! Man kommt ja nicht drumherum, das Wort zu schreiben. Vor dem Tor bis hierhin der Chancentod in besten Situationen, aber hier und heute macht er den gegen die Exen aus der Kategorie „Muss man können“. Der Kicker ist online so begeistert, dass er von Zimmerscheid schreibt. Gleich mehrfach.

Hatte Halle schon mit dem Doppelschlag der Drljaca-Heldentat und des Ausgleichs zu kämpfen, so ist das jetzt schon fast ein Neckbreaker. Dresden übernimmt nun vollends den Controller des Spiels und bis zum Ende wird der HFC nur hier und da mal aus der Distanz Versuche starten, die vom SGD-Keeper locker abgefangen werden. Alles andere macht die nun sattelfest Dynamo-Abwehr kollektiv zunichte.

Aber auf der Soll-Seite bleibt: Offensiv gibt es einige Situationen und Halbchancen, die sämtlichst weiterhin an Ungenauigkeiten scheitern: Fehlpässe, mangelhafter letzter Ball oder „Ball zu weit vorgelegt“ sind immer wieder zu sehen. Und bessere Konter hat man bei Dynamo auch schon gesehen. So geht das Spiel mit vielen Wechseln und Fouls zu Ende, Halle hat nichts mehr im Köcher, Dynamo muss nichts ins Risiko gehen.

Was noch?

Egal, was in München passiert – Dynamo bleibt nach der englischen Woche Spitzenreiter. Der Beweis, dass man auch mit einem dreckigen Fight ein Spiel drehen kann, ist erbracht, aber es bleiben die offensiven Mängel. Die Standardschwäche kommt on top zum fehlerhaften Verhalten bei Kontern, das immer wieder falsche bis keine Entscheidungen der Offensivkräfte offenbart. Und wenn Meier so weitermacht, wird Park eine Option sein, wenn er zurückkehrt. Nun aber geht es erstmal nach München, und was diese Fahrten in der dritten Liga bisher bedeutet haben, wissen wir ja.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. Hallescher FC
4. Oktober 2023, Anstoß 19 Uhr
Tore: 0:1 Baumenn (7.), 1:1 Borkowski (45.+1), 2:1 Zimmerschied (51.)
Dynamo Dresden: Drljaca, Kammerknecht, Kraulich, Lewald, Meier, Will, Hermann (86. Berger), Zimmerschied (74. Bünning), Vlachodimos (74. Lemmer), Kutschke (90. Schäffler), Borkowski (86. Oehmichen)
Ohne Einsatz: Broll, Ehlers, Melichenko, Menzel
Schiedsrichter: Patrick Kessel
Fans: 29.159
www.dynamo-dresden.de