Von Eva bis Amy. Und darüber hinaus

Die Jüdische Woche Dresden präsentiert vom 2. bis 12. November erneut Vielseitiges

Das Ensemble Canelle

Ein wenig später als im Vorjahr, aber mit nicht weniger Programm und Vielseitigkeit – so geht die Jüdische Woche Dresden auch in diesem Jahr an den Start und legt unter dem Motto »Von Eva bis Amy« einen speziellen Fokus auf die sich wandelnde Rolle der Frau im kulturellen Judentum. Zwar waren die Aufgaben der Frau in der Antike vornehmlich auf die familiäre Sphäre beschränkt. Aber bereits zu jener Zeit gab es auch Ausnahmen wie die Prophetin Miriam, die als Musikerin und Tänzerin bekannt war und eine wichtige Rolle beim Exodus des jüdischen Volkes spielte. Mehr und mehr traten im Laufe der Zeit, explizit im 19. und 20. Jahrhundert, dann immer mehr jüdische Frauen als Künstlerinnen und Intellektuelle hervor. Bekannte Beispiele hierfür sind die Philosophin Rosa Luxemburg, die politische Theoretikerin Hannah Arendt, die englische Schriftstellerin Grace Aguilar oder die israelische Sängerin und Songwriterin Chava Alberstein. Ihre Beiträge bereicherten das kulturelle Judentum im Speziellen, als auch die menschliche Kultur und Geschichte im Allgemeinen.

Das Festival hat es sich nun jedoch konkret zur Aufgabe gemacht, die weiterhin bestehenden Herausforderungen in Bezug auf die Sichtbarkeit und die Anerkennung von Frauen in den Fokus zu rücken. Denn: Gleichstellung und Chancengleichheit sind von essenzieller Bedeutung bei der Entwicklung moderner jüdischer Identitäten. Die Geschäftsführerin der Jüdischen Woche Dresden, Cornelia Vranceanu, hierzu: »Die Frauen des Festivals agieren jedoch nicht nur auf der Bühne, sondern auch in der Organisation der Jüdischen Woche. Vom Vereinsvorstand über die Führung der Geschäfte bis zu unseren vielen ehrenamtlichen Helferinnen sind es die Frauen, die der Jüdischen Woche eine eindeutig weibliche Ausrichtung geben.«

Das spiegelt sich deutlich im Programm wider, das bereits bei der Eröffnung des Festivals im Landhaus Dresden auf der Wilsdruffer Straße weiblich konnotiert ist und die Sängerin Karolina Trybała sowie ihr Ensemble Canelle auf die Bühne holt. Zu hören gibt es dann Interpretationen von humorvollen Schlagern und extravaganten Chansons der 1920er-Jahre, die von Emanzipation, jüdischen Welten und scharfer Gesellschaftskritik erzählen. Eine spannende und mitreißende Zeitreise mit Musik, die zwischen zwei Weltkriegen das Publikum von Odessa, Krakau, Berlin, Paris bis New York begeistert. Und das ganz sicher auch in Dresden.

Außerdem Teil des diesjährigen Programms: die jüdisch-spanische Vokalartistin Yael Badash, die klassische Ladino-Werke ergreifend neu interpretiert und die Migration aus dem Nahen Osten, Spanien und Afrika intensiv und mit unverfälschter, beweglicher Stimme in eine zauberhafte Klangwelt überführt. Ein weiterer Höhepunkt wird außerdem das mehrfach ausgezeichnete Ein-Personen-Theaterstück »Living the dream with grandma« des ungarischen Künstlers László Göndör sein, das am dritten Festivaltag in der Jugendkunstschule zu sehen sein wird. Das Werk zeigt Göndör und seine geliebte Großmutter, wie sie während des Corona-Lockdowns in Budapest notgedrungen zusammenziehen und gemeinsam Göndörs moderne Identitätskrise und das Holocoust-Trauma seiner Großmutter bewältigen.

In den darauffolgenden Tagen wird es dann noch den Jüdischen Ball mit dem britischen Star-Ensemble She’Koyokh und das Konzert der israelischen Rapperin Sharon im Alten Wettbüro geben. Präsentiert werden darüber hinaus ein Dokumentarfilm über die (sexuelle) Unterdrückung am Beispiel von fünf Frauen, die das patriarchale System auf ihre eigene Art und Weise durchbrechen sowie ein Vortrag über Regina Jonas, der weltweit ersten Rabbinerin und ihr Wirken im KZ Theresienstadt. Abgerundet wird das Programm durch zahlreiche Diskussions- und Gesprächsrunden, einen offenen Gottesdienst und ein Angebot, das in die hebräische Sprache einführt. Lediglich das beliebte Gefilte Fest im Hygiene-Museum ist aufgrund der aktuellen Sicherheitslage auf das kommende Jahr verschoben worden.

Dennoch kann man abschließend sagen, dass die Jüdische Woche Dresden auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Angebote bereithält. Angebote, die nicht nur die jüdische Kultur lebendig vermitteln, sondern die vor allem Menschen zusammenführen (können). Und das ist vor dem Hintergrund der aktuellen Konflikte – explizit dem im Nahen Osten – mehr als nur ein Zeichen. Es ist ein Aufruf, aufeinander zuzugehen. Friedlich, respektvoll. Und mit einem Lächeln im Gesicht. Von Eva bis Amy. Und darüber hinaus.
Thomas Natzschka

Jüdische Woche Dresden 2. bis 12. November, www.juedische-woche-dresden.de