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Das Staatsschauspiel präsentierte seine Spielzeit 2023/2024

Dr. Jörg Bochow (Chefdramaturg und stellvertretender Intendant), Lily Sykes (Hausregisseurin), Daniela Löffner (Hausregisseurin), Joachim Klement (Intendant), Tobias Rausch (Leiter Bürger:Bühne) Foto: Sebastian Hoppe

Im Schauspielhaus Dresden stellten Intendant Joachim Klement und Chefdramaturg Jörg Bochow das Programm der Spielzeit 2023/2024 vor. Ihre eigenen Inszenierungen und Projekte beschrieben Charlotte Orti von Havranek / Leiterin des Festivals FAST FORWARD, die Hausregisseurinnen Lily Sykes und Daniela Löffner sowie Tobias Rausch / Leiter der Bürgerbühne. „Kunst und Kultur leben vom Spiel der Ideen und Gefühle, von Vieldeutigkeit und Dialog. Theater eröffnet immer mehr als eine Perspektive und ist deshalb besonders geeignet, reale Krisen und Konfliktfelder in sinnlich erfahrbares Spiel zu übertragen und damit unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken und zu entwickeln.“ So Joachim Klement über eine Spielzeit, die sich - noch von Pandemie Auswirkungen beeinflusst - in Zeiten aktueller, multipler, sich überlagernder gesellschaftlicher Krisen neuen Herausforderungen stellen muss. 

Mit 22 Premieren, verschiedenen Zusatzformaten und 30 Wiederaufnahmen hat die Intendanz 2023 / 2024 dazu ein fettes Programm aufgestellt. Dass sich unter den bekannten wie neuen Regienamen der Premieren genau 11 Regisseurinnen finden, lässt sich schon mal als konzeptionelle Entscheidung deuten. Dass es sieben Uraufführungen geben wird und unterschiedlichste stilistische Textformen, Bearbeitungen und Genres für die Inszenierungen auf den großen wie kleinen Spielorten des Staatsschauspiels vorgesehen sind, folgt einem in den letzten Jahren erprobten Bekenntnis zur persönlichen Auseinandersetzung mit klassischen wie neuen Stoffen im Spannungsfeld zu aktuellen Konfliktlagen und Stimmungen in verschiedensten gesellschaftlichen Strömungen. Und auch wenn es eine der Aufgaben des Theaters ist, an das in den Schulen vermittelte Literatur- und Theatererbe anzuknüpfen und das Vermittlungsprogramm des Hauses für alle Klassenstufen breit aufgestellt ist, sind mit den Neuproduktionen keine 1 : 1 Klassikerinszenierungen zu erwarten.

Dafür steht als erste Premiere der Saison schon Henrik Ibsens PEER GYNT im Kleinen Haus als ein Projekt der Bürger:Bühne mit Dresdner Jugendlichen auf einem Trip in den Sozialen Medien. Für die Bühne Kleines Haus 3 erstellt Regisseurin Monique Hamelmann eine Spielfassung nach dem Roman MINISTERIUM DER TRÄUME von Hengameh Yaghoobifarah, die als Kind iranischer Flüchtlinge in Deutschland geboren wurde und heute als nichtbinäre Persönlichkeit schriftstellerisch und journalistisch aktiv ist. Von einer starken Frau erzählt im Schauspielhaus auch die große Premiere des Eröffnungswochenendes vom 8. bis 10.9. 2023. LULU, eine aus der Corona Zwangspause mehrfach verschobene Produktion, wird von Hausregisseurin Daniela Löffner inszeniert. Mit voraussichtlich opulenten Inszenierungen wird es im Schauspielhaus weitergehen. Regisseur Volker Lösch versetzt DIE DREIGROSCHENOPER ( 6.10.) von Brecht / Weil in ein fiktives, rechtsradikales Deutschland 2022 und darf mit Zustimmung der gestrengen Erben dafür sogar neue Texte einarbeiten, Philipp Lux bearbeitet und inszeniert Michael Endes Roman „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" (4.11.) als neues Familienstück für Weihnachten und Nicolai Sykosch inszeniert Dürrenmatts bewährte tragische Komödie DER BESUCH DER ALTEN DAME (5.4.). Zum Spielzeitende wird es mit einer Bühnenadaption von Franz Kafkas bedrückenden Roman DAS SCHLOSS noch einmal sehr spannend (4.5.). Die Inszenierung erarbeitet der junge russische Regisseur und Choreograph Maxim Didenko aus Moskau, der in Dresden aus Arbeiten am Festspielhaus Hellerau bereits bekannt ist und seit Kriegsbeginn in Berlin im Exil lebt.

Im Kleinen Haus stehen mit DER SANDMANN (7.10.), AJAX (UA 28.10.) und MAMMA MEDEA (23.2.) drei bekannte Stoffe auf dem Spielplan. Ersterer gilt als einer der geheimnisvollsten Texte der Romantik, die Geschichte des Studenten Nathanael von E.T.A.Hoffmann inziniert Sebastian Klink. Der antike Held Ajax wird als Auftragswerk von Thomas Freyer neu beleuchtet. Er verknüpft parallel zum Scheitern des mächtigsten Griechen im Kampf um Troja die Geschichte eines heutigen Familienvaters, den die Berichte aktueller Kriege überfluten und von sich und der Familie entfremden. Und Lilja Rupprecht beschäftigt sich mit Tom Lanoyes Neuerzählung des berühmten Medea-Mythos, der antikes Versmaß und moderne Sprache verbindet und die Tragödie damit ins Heute holt. Ebenfalls im Kleinen Haus wird Georg Büchners Fragment WOYZECK (2.12.) auf die Bühne kommen. Lily Syke inszeniert damit ihre dritte Dresdner Arbeit und fragt nach der Rolle von Aggressivität in unserer Gesellschaft und vor allem gegen Frauen. Das Stück JUDITH SHAKESPEARE – RAPE AND REVENGE (2.3.) von Paula Thielecke inszeniert die junge litauische Regisseurin Laura Kutkaite, die 2022 den Preis der Festivaljury Fast Forwart gewann. Vom 2. bis 5. November 2023 wird es eine neue Ausgabe des Europäischen Festivals für junge Regie geben. Es präsentiert acht Inszenierungen junger Regisseur*innen aus ganz Europa. „Ein Theaterfest für die, die am Anfang stehen, und eine Zukunftswerkstatt, die für Überraschungen gut ist.“ – so die künstlerische Leiterin Charlotte Orti von Havranek. Die Bürger:Bühne ist mit insgesamt fünf neuen Arbeiten vertreten, darunter u. a. die Uraufführung WAS WIR ERBEN (14.10.) – ein Projekt mit Menschen, die ein Erbe antreten, ausschlagen oder vermachen von Romy Weyrauch, die mehrfach Projekte in der Dresdner freien Szene realisierte. (Das Infotreffen dazu findet übrigens bereits am 16. Mai um 18:00 Uhr im Kleinen Haus statt.)

Aktiv sind auch weiterhin die B:Clubs, die 10 verschiedene thematische Projekte zum Mitspielen anbieten sowie das Montagscafé. Außerdem wird das neue Gesprächsformat FRAGENMARATHON initiiert. Die Dresdner Reden werden weitergeführt wie auch die Kooperation mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus, die den Dresdnern die Begegnung mit Robert Wilsons DORIAN ermöglicht. Insgesamt verbreitete Intendant Joachim Klemet Optimismus. Das Ensemble ist bis auf drei Neuzugänge stabil und engagiert, die Besucherauslastung zeigt sich zu Beginn des Jahres mit 76 % belegten Plätzen im Aufwind.
Isolde Matkey

www.staatsschauspiel-dresden.de