Die Gewerkschafterin

Isabelle Huppert in ihrem irritierenden Spiel zwischen Wahrheit und Manipulation

Ein schockierender Vorfall: Die in Frankreich lebende Irin Maureen Kearny ist Personalrätin beim französischen Industriekonzern Areva, einer Firma für den Bau von Nukleartechnikanlagen. Durch den Wechsel an der Spitze und durch eine verstärkte Kooperation mit China stehen Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Als sie die Machenschaften der französischen Atomindustrie öffentlich machen will, kriegt sie erst Drohbriefe, wird dann in ihrem eigenen Haus von Unbekannten überfallen, gefesselt und mit dem in den Bauch geritzten Buchstaben A sowie einem Messergriff in der Vagina von der Haushälterin gefunden. Erst sind Mitleid und Sympathie auf ihrer Seite, durch die einseitigen Ermittlungen wird aus dem Opfer eine Verdächtige. Aber die wehrt sich.

Mit der Anmutung einer Heldin aus Chabrol-Filmen, die dunkle Seiten zu verbergen hat, beeindruckt Isabelle Huppert in ihrem irritierenden Spiel zwischen Wahrheit und Manipulation, verkörpert grandios die Entschlossenheit dieser Frau, beim Kampf um Gerechtigkeit bis in die oberen Politiketagen vorzudringen, auch wenn sie im üblichen Netz des Systems »eine Hand wäscht die andere« bald nur ein Spielball von Interessen ist. Jean-Paul Salomé beobachtet fast klinisch sauber und sehr akribisch, was passiert, erinnert in manchen Passagen an »Erin Brockovich«, das biografische Justizdrama mit Julia Roberts. Dabei inszeniert er diesen gesellschaftskritischen Polit-Thriller über eine Frau, die ihre Würde und ihre Ehre zurückbekommen will und in der männlichen Polizei-Hierarchie kaum eine Chance auf Fairness hat, mit Eleganz und Engagement, aber gegen Ende doch sehr didaktisch und gut gemeint, damit auch der Dümmste kapiert, was los ist. Aber das verzeiht man gerne, es ist ein Verdienst dieses Films, einen Skandal wieder ans Tageslicht zu bringen, den einige gerne vergessen möchten.
Margret Köhler

Die Gewerkschafterin Frankreich 2021, Regie: Jean-Paul Salomé
Mit Isabelle Huppert, Yvan Attal, Alexandra Maria Lara, Marina Foïs,
ab 27.4. Zentralkino, ab 4.5. Programmkino Ost